Selbstbildnis als Kranker (Der Kranke)
Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938)

Selbstbildnis als Kranker (Der Kranke),

1918/30
Material / Technik / Bildträger
Öl auf Leinwand, auf Sperrholz aufgezogen
Maße des Objekts
59,5 x 69,8 cm
Ausgestellt
PdM Saal 12
Gattung
Malerei
Inventarnummer
15580
Erwerb
2002 erworben als Ankauf aus Privatbesitz mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Ernst von Siemens Kunstfonds und der Bayerischen Landesstiftung sowie der Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien
Bestand
Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München
Zitiervorschlag
Ernst Ludwig Kirchner, Selbstbildnis als Kranker (Der Kranke), 1918/30, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München, URL: https://www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/01G1QweGkE (Zuletzt aktualisiert am 13.07.2023)
In „Selbstbildnis als Kranker“ porträtiert sich Kirchner bettlägerig in einer Graubündner Bauernstube. Der Kopf ist nach rückwärts aus dem Bildraum und gleichsam einem imaginären Besucher zugewandt. Die rechte Hand wird in einer Geste des Erschreckens zum Mund geführt; das Gesicht ist gezeichnet von der Wahnvorstellung, in das Schlachtengetümmel des Kriegs zurückkehren zu müssen. Diese tiefe, durch den Ersten Weltkrieg ausgelöste seelische Zerrüttung hatte bereits 1915 zur Entlassung aus dem Militärdienst geführt und Kirchner seit 1917 wiederholt die Schweiz aufsuchen lassen. Die zusätzliche Abhängigkeit von Veronal und Morphium machte Aufenthalte in Sanatorien von Davos und Kreuzlingen unumgänglich, die durch Sommermonate auf der Stafelalp oberhalb von Frauenkirch bei Davos ergänzt wurden; im Herbst 1918 bezog Kirchner schließlich das Haus „In den Lärchen“, dessen Stube im Gemälde abgebildet ist. So kann entgegen der Datierung auf dem Gemälde als Entstehungszeit eben dieses Jahr angenommen werden, während der Künstler mit der Vordatierung des Bildes möglicherweise auf seinen seelischen Zustand der vergangenen Monate referiert. In der Schweiz suchte Ernst Ludwig Kirchner einen Neubeginn für sich selbst; „Selbstbildnis als Kranker“ markiert aber mehr als nur einen Wendepunkt im Schaffen des Künstlers. Nach dem Rückzug aus der Großstadt Berlin und den Wirren des Kriegs spiegelt das Werk über das persönliche Befinden hinaus die Verlorenheit und das Fremdsein eines expressionistischen Lebensgefühls, das sich in den Hoffnungen auf einen „neuen“ Menschen getrogen sah. Der individuelle Zusammenbruch aber auch der Verlust der einstigen Utopien verdichtet sich in „Selbstbildnis als Kranker“ zu einem exemplarischen wie einzigartigen Kunstwerk und zeitgeschichtlichen Dokument.

Folgende Kunstwerke könnten Sie auch interessieren: