Judith, die Bezwingerin des Holofernes, ist in Dreiviertelfigur gegeben, den Blick ernst, fast forsch nach rechts gerichtet, ihre Linke fest auf das Heft des Schwerts gestützt. In der Rechten, für den Betrachter kaum sichtbar, hält sie Holofernes' abgeschlagenes Haupt. Das weiße Hemd ist unter einem mit Edelsteinen besetzten Band von der linken Schulter gerutscht, um Hüfte und Taille ist ein kostbarer Brokatstoff geschlungen. Grelle Beleuchtung von rechts taucht die Heroin in gleißendes Licht.
Der reichen Witwe Judith soll es während der Belagerung der Stadt Bethulia durch die Assyrer gelungen sein, das Vertrauen des Holofernes, des Feldherren Nebukadnezars, zu gewinnen. Nach durchzechter Nacht tötete sie den Despoten mit einem Schwertstreich. Die heldenhafte Tat gilt seit jeher als Vorbild für die sieghafte Erhebung des Einzelnen gegen die Tyrannis, oftmals ergänzt um die Vorstellung, was Frauen alles zu vollbringen vermögen. Zugunsten letzterer Vorstellung drängt Riedel die eigentliche heroische Tat eher in den Hintergrund. Das biblische Ereignis wird zum Vorwand für die pompös repräsentierende Darstellung des unbeugsamen Heldentums seiner Protagonistin, was dem Bild freilich bald den Vorwurf der äußerlichen Effekthascherei eintrug.
Riedel stellt mit der biblischen Tugendheldin eine frühe Vorläuferin für jene bedeutenden Frauengestalten dar, die unter den Deutsch-Römern, allen voran Anselm Feuerbach, als Inbild der Italienerin verewigt wurden. Tatsächlich soll dem Künstler die zwanzigjährige Brigantentochter Grazia aus Sonnino Modell gesessen haben.