"Die kleine unbewohnte, nur von Hirten besuchte Insel Delos ward im Alterthum als Geburtsort des Sonnengottes verehrt; sein vorzüglichster Tempel war ihm hier geweiht, und viele Tausende wallfahrteten jährlich an diese geheiligte Stätte.
Ueber eine sterile Fläche, nur von Haidekraut und niederem Buschwerk bewachsen und von einzelnen Bautrümmern und Cisternen hier und da unterbrochen, erhebt sich nach Osten hin der Berg Apollo Kynthios, zu dessen beiden Seiten sich ein Fernblick nach dem Meer und den benachbarten Inseln Naxos und Paros öffnet. Dieses einfache Motiv diente unserm vortrefflichen Künstler zu einem seiner erhebendsten Werke.
Die Sage hat uns berichtet, wie mit der Geburt des Lichtgottes die Insel aus der Nacht des Meeres emporgetaucht sei, und so begreifen wir, warum der Künstler durch den Aufgang des Morgens uns die von der Nacht umhüllte Insel in den hellen Tag der Wirklichkeit heraufgerufen hat." [...]
(Aus: Die Griechischen Landschaftsgemälde von Karl Rottmann in der neuen königlichen Pinakothek zu München beschrieben von Ludwig Lange, München 1854)