"Der Watzmann" ist das erste von Richter selbst als vollgültig anerkannte malerische Werk, mit dem er sofort Wertschätzung in Künstler- und Kritikerkreisen erlangte. Das Bild entstand in Rom, nach Eindrücken und Studien, die Richter während der Reise durch die Alpen auf seinem Weg nach Italien gemacht hatte. Unmittelbare Anregung erhielt der junge Künstler durch Kochs "Schmadribachfall", den er im Atelier des Älteren gesehen hatte.
Im direkten Vergleich der beiden Bilder fällt zunächst die gleiche kompositorische Anlage ins Auge, und das bei beiden spürbare Bestreben, einen Berg mit Wasserfall als mächtigen Monolith in Szene zu setzen. Deutlich sind jedoch auch die Unterschiede: Während Koch den Berg überhöht und monumentalisiert, wendet Richter die Stimmung ins Beschauliche und bereichert die Naturdarstellung um erzählende Elemente. Der Watzmann wird als zivilisatorisch erschlossener Berg dargestellt, nicht als unzugängliche Natur. Eine Hütte im Tal bietet den Menschen Schutz und Unterkunft. Weiter oben am Berg liegt eine kleine Kapelle, und auf den Flachkuppen der niedrigeren Berge sind Weiden für das Vieh zu erkennen. Der lichte Mischwald scheint von den Menschen genutzt. Auch der Gipfel selbst wirkt wenig bedrohlich, sondern wird von Schönwetterwolken umgeben. Diesen befriedeten und idyllischen Gesamteindruck verstärkt auch der Einsatz von warmen Grün- und Brauntönen sowie die Einbindung von kleinen anekdotischen Szenen.