Pablo Picasso war nie Surrealist wie Salvador Dalí oder Max Ernst; er hielt die Aktivitäten der Gruppe nachweisbar für überzogen, oft sogar wichtigtuerisch und kritisierte den psychologischen Ansatz. „Surreal“ meint für ihn lediglich „realer als die Realität“. Dennoch profitierte er auf einer allgemeinen Ebene vom Surrealismus, der die kulturelle Atmosphäre in Paris prägte. Die klassische Strenge seiner Malerei in den frühen zwanziger Jahren, die trotz ihrer Überzeugungskraft und Grandiosität für den Künstler doch auch Ausdruck einer Beschränkung gewesen sein muss, wird aufgegeben, und Picasso gewinnt er erneut Zutrauen zu einer sich frei entfaltenden Phantasie. Zudem werden die Surrealisten auch Anstöße zu neuen, abgelegeneren Themen gegeben haben. Die „Frau“ muss in Zusammenhang mit einer vielfigurigen Kreuzigungsszene gesehen werden, die Picasso wenige Tage später malte und in der zwei Assistenzfiguren vergleichbare so genannte Zangenköpfe haben („Die Kreuzigung“, Musée Picasso, Paris). Thema ist in beiden Bildern das Verhältnis von Gewalt und Leiden, bei der „Frau“ in einer Figur konzentriert: Der Frauenkopf drückt ebenso Entsetzen und existenzielle Qual aus wie auch die Fähigkeit, selbst Leid zuzufügen. Dies wird besonders durch die Verfremdung des Kopfes zu einer aggressiven Zangenform erreicht, die deutliche Parallelen zum sowohl bei Picasso als
auch bei den Surrealisten geläufigen Motiv der „Gottesanbeterin“ aufweist, die das Männchen nach der Begattung verschlingt. Insofern sind hier wohl auch sexuelle Obsessionen impliziert, wobei dahingestellt sein mag, inwieweit sie mit konkreten biografischen Entwicklungen (der Trennung von seiner Frau Olga) zusammenhängen.