Das Thema der Badenden in der Natur, ein beliebtes Motiv für die Darstellung weiblicher Sinnlichkeit und der Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, erfährt hier eine direkte und unmittelbare Ausprägung. Chassériau, der eine Verbindung zwischen dem Klassizismus von Jean-Auguste-Dominique Ingres und der Romantik Eugène Delacroix’ suchte, zeigt hier einen Halbakt im dämmrigen Waldinneren. Wenngleich die Einbettung des hellen Aktes in das Dunkel des Waldes sowie das von oben rechts einfallende Abendlicht
zunächst an Chassériaus »Suzanne au bain« von 1839 (Paris, Louvre) erinnert, so nimmt die Badende eine Sonderstellung unter den weiblichen Aktdarstellungen des Künstlers ein. Denn im Unterschied zu Chassériaus »Diane« von 1840 (Privatsammlung), »Esther« von 1842 (Louvre) und »Daphné « von 1845 (Louvre), die in ihren klassischen Posen, schlanken Formen und ihrer geglätteten Leiblichkeit noch stärker Ingres’ Aktdarstellungen verhaftet sind, liegt hier der besondere Reiz der Darstellung in der natürlichen Sinnlichkeit des Modells, dessen üppige Formen der Maler dem Betrachter nahezu unverhüllt, aus extremer Nahsicht, mit Licht und Schatten deutlich modelliert, vor Augen führt.
Während die neuere Literatur das Problem der Zuschreibung an Chassériau nicht verfolgt, zweifelt Marc Sandoz, der Verfasser des 1974 erschienenen Oeuvrekatalogs, die Echtheit des Werks auf Grund der Signatur und des Stils an – eine Position, die Eberhard Ruhmer zu widerlegen sucht.