Stadtbild und Stadtlandschaft waren seit der Renaissance ein selbständiges Thema der Malerei und gewannen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erneut an Bedeutung, nachdem man sich der Veränderungen des Lebensraumes auch in historischer Perspektive zunehmend bewusst geworden war. Domenico Quaglio, der als Dekorationsmaler am Münchner Hoftheater begonnen hatte, kam über druckgraphische Ansichtenwerke zur Architekturmalerei, die ihn ab 1818 vorwiegend beschäftigte. Meist waren es einzelne Monumente und charakteristische Bauten, die er zum Gegenstand seiner Bilder wählte. In den 1820er Jahren entstand eine ungewöhnliche Folge von Ansichten Münchens, die einzelne Partien der inneren Stadt, vor allem die Umgebung der Residenz zeigen. Es handelt sich dabei um eine lose Folge von annähernd gleich großen Bildern, die offenbar auf Anregung oder im Auftrag von Kronprinz Ludwig gemalt wurden. Ludwig besaß in seiner Sammlung schließlich acht dieser Ansichten Quaglios, von denen sich heute noch fünf im Besitz der Neuen Pinakothek befinden. Dargestellt sind jeweils Partien der alten Stadt, die sich binnen kurzer Zeit durch Neubauten oder städtebauliche Maßnahmen grundlegend verändern sollten. Es herrscht ein dokumentierender Charakter vor, als ob das malerisch empfundene alte Erscheinungsbild der Stadt zumindest im Gemälde bewahrt werden sollte. Im Fall der Residenzbauten mag es auch ein Akt des Respekts und der Pietät gewesen sein, die alten Trakte im Bild festzuhalten, bevor sie abgebrochen wurden. Die einzelnen Veduten werden durch zahlreiche Staffage verlebendigt und scheinen einen Eindruck des täglichen Lebens in der Residenzstadt zu geben.
Der Blick auf die Alte Reitschule mit dem Café Tambosi (Inv. Nr. WAF 786) zeigt das Areal des heutigen Odeonsplatzes. Links ist scharf angeschnitten der äußerste Pilaster der Fassade der Theatinerkirche sichtbar, rechts das 1816 von Klenze errichtete Hofgartentor. Der Blick geht nach Norden auf die Schwabinger Chaussee. Rechts steht mit hohem Giebel die Alte Reitschule mit dem davor liegenden Caféhaus, die beide 1822 abgebrochen wurden, um dem 1824 bis 1826 nach Plänen Klenzes errichteten Bazargebäude Platz zu machen. Links stehen zwei mehrgeschossige Wohnhäuser auf dem Stadtwall, die später der weiteren Bebauung des Odeonsplatzes weichen mussten. Weiter zurückliegend ist in knappem Ausschnitt das Leuchtenbergpalais zu erkennen, das 1817 bis 1821 ebenfalls nach Plänen Klenzes als erster Bau im Bereich der späteren Ludwigstraße errichtet worden war.
Der Blick in die Residenzstraße (Inv. Nr. WAF 790) zeigt ebenfalls ein bald von großen Veränderungen bedrohtes Areal. Dies betrifft weniger die Häuserzeile rechts im Bild, nahezu unverändert erhalten geblieben ist, sondern die älteren Teile der Residenz links, wie der so genannte Witwenstock und der Goldene-Saal-Trakt. Beide wurden 1826 abgebrochen, um Klenzes Königsbau Platz zu machen. Zwei weitere Ansichten zeigen den Residenzkomplex von Nordosten und von Norden (Inv. Nr. WAF 788 und WAF 789). Sie dokumentieren den Zustand vor der Errichtung des Festsaalbaus, mit dessen Planung 1825 begonnen und zu dem der Grundstein 1832 gelegt wurde. Nur wenige ältere Teile, wie der Herzog-Christoph-Turm, wurden in den Neubau integriert, während die mittelalterliche Neuveste fast vollständig abgebrochen wurde.