Das kleine Gemälde "Landschaft mit absterbender Eiche" ist das früheste bekannte Werk von Eduard Schleich und zeigt die Begabung des erst zwanzig Jahre alten Künstlers bereits voll entwickelt. Es weist zwar noch einen geglätteten, vom Klassizismus herrührenden Farbauftrag auf, zeigt aber bereits Schleichs eigenständige Auffassung der Landschaft.
Das Motiv eines einsamen, imposanten Baumes, dessen knorrige, abgestorbene Äste sich bedrohlich gegen den Himmel erheben, ist schon in der frühromantischen Malerei eines Caspar David Friedrich häufig anzutreffen und sicherlich von dieser angeregt worden. Eine ähnliche Bildanlage weist etwa Friedrichs "Der einsame Baum" in Berlin auf. Friedrichs Bild zeigt ebenfalls eine absterbende Eiche in einer weiten Wiesenlandschaft mit einem Teich im Vordergrund. Ein Schäfer lagert mit seiner Herde unter dem riesigen, alten Baum. Die Gesamtkomposition des Bildes ist bei Friedrich einer lockeren Symmetrie unterworfen, so dass der Baum als das Bild dominierender Solitär in den Vordergrund rückt. Natur wird somit als Sinnbild einer übergeordneten Idee verstanden.
Schleichs Bild ist dagegen stärker von einem realistisch-dokumentarischen Zug bestimmt. Ein brennendes Feuer, von dem blauer Dunst emporsteigt, und weidende Pferde sind zu sehen. Der bewegte, von dicken Wolken verhangene Himmel, der leichte Regen und die vom Wind gekräuselte Oberfläche des kleinen Teiches konkretisieren die Situation weiter. Schleichs Bild wird somit zu einer charaktervollen Schilderung der Landschaft, deren zentrales Motiv der Eiche diese in ihrer individuellen Einmaligkeit vor Augen führt.