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Joseph Beuys (1921-1986)

Das Ende des 20. Jahrhunderts,

1983
Material / Technik / Bildträger
Basalt, Ton, Filz, 44 Steine
Maße des Objekts
48 x 150 cm
Ausgestellt
PdM Saal 20
Inventarnummer
GV 81
Erwerb
1984 von PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne e.V. (Galerie-Verein)
Bestand
Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München
Zitiervorschlag
Joseph Beuys, Das Ende des 20. Jahrhunderts, 1983, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München, URL: https://www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/Qm45RrXxNo (Zuletzt aktualisiert am 19.06.2023)
„Das ist das Ende des 20. Jahrhunderts“, äußerte Joseph Beuys 1983 in München über seine gleichnamige Installation, „das ist die alte Welt, der ich den Stempel der neuen aufdrücke.“ Die 44 naturbelassenen Basaltstelen, von Beuys zu einem spiralförmig kreisenden Steinfeld ausgelegt, versinnbildlichen keineswegs nur tote Materie und mithin ein apokalyptisches Jahrhundertende. Vielmehr hat der Künstler dieser über Jahrhunderte gewachsenen „alten Welt“ den Stempel der neuen aufgedrückt, indem er aus dem dichten und urtümlich wirkenden Stein am oberen Säulenende einen kegelförmigen Kern herauslösen ließ. In die entstandenen Löcher setzte er anschließend die abgeschliffenen Stöpsel wieder ein und erzeugte damit einen Kontrast zwischen gewachsener und bewusst hergestellter Form, zwischen Natur und Ratio, der zugleich als Dialog zwischen „alt“ und „neu“ gelesen werden kann. Darüber hinaus wurden unter jedem Kegel eine kleine, ursprünglich feuchte Tonkugel sowie ein Stück Filz eingebettet, sodass sich die Stöpsel, wie Beuys formulierte „nicht weh tun und es warm haben“. Alle Steine wirken so okuliert und mit teleskopartig aus dem Stein ragenden runden Augen wie archaische Urwesen, denen mittels Filz und Ton, den geläufigen Wärmeaggregaten im Beuysschen Materialkosmos, neues Leben eingepflanzt wurde. Dieser animistische Aspekt der Plastik wird durch die rätselhafte Herdenform der Anordnung der Steine noch verstärkt. – In der Umkehrung dieses belebenden Blicks auf die Steine bietet sich dem Betrachter der Eindruck eines ausgelegten Feldes naturgeformter Steine, die Gedanken an ein Gräberfeld wachrufen, an Steindenkmäler, an das Ruinenfeld einer Schlacht oder Erinnerungen an uralte Sippen, die längst von der Erde verschwunden sind. So behandeln Herstellungsweise und Gestalt der Arbeit offenbar ein vielschichtiges menschliches Dilemma: einerseits die respektvolle Einsicht in die Natur, andererseits ihre mit Verletzungen einhergehende Nutzung oder Ausbeutung. Um seine Arbeit verwirklichen zu können, griff Beuys in den Steinbruch ein und verletzte die gegebene Oberflächenstruktur der Steine. Mit dem anschließenden Arbeitsschritt bezeugte er jedoch sein Bedürfnis, die verursachten Verwundungen wieder zu heilen. Die aufeinander folgenden Handlungen lesen sich letztlich wie eine Beschreibung der alten und zugleich der neuen Conditio humana, denn nie zuvor wurden Berechtigung und Konsequenz der Aneignung der Natur so nachhaltig diskutiert wie am Ende des 20. Jahrhunderts. Im Januar 2011 wurde der Saal den Mäzenen Christof und Ursula Engelhorn zum Dank für ihr herausragendes Engagement gewidmet.

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