In diesem Selbstbildnis von 1922 stellt sich Max Liebermann als arrivierter Künstler dar, als Teil der Gesellschaft, der sich in seinem Atelier seiner Arbeit widmet. Die Farbskala beschränkt sich auf gebrochenes Weiß, Beige, Hellbraun, Hell- und Mittelgrau. Der Farbauftrag ist stellenweise sehr pastos, mit expressivem, heftigem Pinselduktus.
Liebermann begann erst als etwa Fünfzigjähriger, Selbstporträts zu malen. Diese stellen nicht den sich selbst ergründenden Künstler dar, sondern bieten in einer genau definierten Distanz zum Betrachter eine Mischung aus »Selbstbeobachtung und Repräsentation« (Christine Hopfengart). Der Künstler hält einen Moment inne, wendet den Kopf von seiner Malerei ab, um im seitlich von ihm stehenden Spiegel – dessen Position der Betrachter einnimmt – sich eines Details seiner eigenen Erscheinung, das er malen wird, noch einmal zu versichern. Liebermann definiert so den Betrachter als einen Spiegel seiner Kunst, nämlich als Rezipienten seiner Werke.