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Sigmar Polke (1941-2010)

Vitrinenstück (5 tlg.),

1966
Material / Technik / Bildträger
bemaltes Tuch, drei auf Keilrahmen gespannte Gewebe mit Applikationen, Vitrine mit Objekten
Maße des Objekts
Ausgestellt
Nicht ausgestellt
Inventarnummer
WAF PF 42 A-E
Erwerb
1984 vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds, Sammlung Prinz Franz von Bayern
Bestand
Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München
Zitiervorschlag
Sigmar Polke, Vitrinenstück (5 tlg.), 1966, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München, URL: https://www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/QrLW9Om4NO (Zuletzt aktualisiert am 22.03.2024)
Wie in einem Völkerkundemuseum das Wesen fremder Kulturen durch akribisch zusammen gestellte Belegstücke, dokumentarische Interviews und erläuternde Schrifttafeln zu vermitteln versucht wird, so breitet Sigmar Polke in seinem „Vitrinen stück“ Objekte aus, die Rückschlüsse auf Leben und Tätigkeit des Malers erlauben, die der Öffentlichkeit üblicherweise nicht zugänglich sind. Zusammen mit Hinweisen zu seiner Entstehungsgeschichte wird ein Bild mit zwei Flamingos gezeigt. Polke hatte offensichtlich geglaubt, in einer Zeit ohne Auftraggeber zu arbeiten und deswegen frei eigenen Eingebungen folgen zu können. Seine bescheidene Absicht, einen Blumenstrauß zu malen, wurde ihm allerdings – dies erläutern die Lettern auf dem Pamphlet links – von höheren Wesen verunmöglicht. Sie befahlen derart energisch die Ausführung von Flamingos, dass sich Polke ihnen nicht widersetzen konnte. Polke ironisiert hier das Abhängigkeitsverhältnis des Künstlers von Auftraggebern oder Preisrichtern ebenso wie den Subjektivitätskult. Er nimmt den trivialen Wunsch nach dem beschaulichen Bild ebenso aufs Korn wie das Bedürfnis nach Erhabenheit, und er hinterfragt mit pikant ausgespielter, kindlich-naiver Unbefangenheit gleichermaßen die Hoffnung auf Verstehen durch Analyse und Dokumentation wie das selbstverständliche Anerkennen sakrosankter Vorgaben. Kaum zufällig wird daher in „Vitrinenstück“ die sachliche Dokumentation zur Geschichte der Malerei mit der (brüchig gewordenen) Pathosformel des Triptychons verbunden. Schaut man sich die Gegenstände in der altarartig vor der Mitteltafel platzierten Vitrine an, so löst sich das Entweder-oder von Sachlichkeit und Pathos als herzergreifend unsinnig auf. Neben den Resten eines auf höheren Befehl zerstörten Bildes sind unter anderem geköpfte Streichhölzer, zwei Untertassen und Erbsen zu sehen. Sie wirken wie Reliquien, die Polke als Beweisstücke seiner Heimsuchung durch höhere Wesen dem Betrachter vorlegt, um ihm die Deutung dieser Begegnung abzufordern.

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