Delacroix zeigt hier in dunkel-realistischen Zügen die Szene »Nacht, Straße
vor Gretchens Tür« aus dem ersten Teil von Goethes »Faust«. Bereits 1821
setzte sich Delacroix mit den »Faust«-Stichen des Goethe-Illustrators
Moritz von Retzsch auseinander. 1825 sah er in London eine musikalische
Aufführung des romantischen Melodrams »Faustus« von George Soane und
Daniel Terry, die ihn, wie er selbst äußerte, sehr beeindruckte. Noch im
selben Jahr begann er mit einer Folge von 18 Lithographien zu Albert Stapfers
französischer Ausgabe von Goethes »Faust« und schloss diese 1828 ab.
Auch das vorliegende Gemälde entstand während dieser Periode.
Delacroix muss den Text von Goethe genau gekannt haben, da er mehrere
Varianten zu verschiedenen Situationen dieser Szene geschaffen hat. Valentin,
der die Entehrung der Schwester rächen will, fällt durch Mephistos
Eingreifen im Kampf mit Faust. Während zwei Lithographien das Duell
selbst und die Flucht Fausts und Mephistos zeigen, ist auf dem Münchner
Gemälde der kurze Augenblick zwischen der Flucht Mephistos und Fausts,
dem Sturz Valentins und dem Erscheinen Gretchens dargestellt. Im Vordergrund
liegt der Degen Valentins als Beweis des stattgefundenen Kampfes.
Das wesentlich größere Bild in der Kunsthalle Bremen von 1847 schildert den unmittelbar anschließenden Vorgang. Gretchen ist vor ihren Bruder getreten, das Volk hat sich um Valentin versammelt, der die Hand gegen seine Schwester zum Fluch erhoben hat.