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Francis Bacon (1909-1992)

Crucifixion Triptychon - linker Teil,

1965
Material / Technik / Bildträger
Öl und Acryl auf Leinwand
Maße des Objekts
197,5 x 147 cm
Ausgestellt
PdM Saal 4
Gattung
Malerei
Inventarnummer
GST 1
Erwerb
1967 als Leihgabe des Galerie-Verein München e.V; 1993 als Leihgabe der Stiftung Galerie-Verein zur Förderung der staatlichen bayerischen Museen, als Schenkung des Galerie-Verein München e.V. (ehem. Inv.-Nr. GV 1)
Bestand
Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München
Zitiervorschlag
Francis Bacon, Crucifixion Triptychon - linker Teil, 1965, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München, URL: https://www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/6kLav6EG8V (Zuletzt aktualisiert am 17.07.2023)
Die „Kreuzigung“ greift die sakrale Pathosformel des Triptychons auf. Francis Bacon folgt damit einer Tradition der Moderne, die von Hans von Marées über Max Beckmann und Otto Dix bis hin zu Blinky Palermo das dreiteilige mittelalterliche Altarbild zur Vermittlung komplexer künstlerischer Fragestellungen nutzt. Drei monumentale Bildtafeln konfrontieren den Betrachter mit einem Szenario des Grauens, in dem sich rationales Kalkül und besinnungslose Brutalität zu einem Albtraum verschränken. Eine alle drei Tafeln verspannende orangerote Rückwand und ein sandiger monochromer Fußboden, der im linken Teil in ein schwarzes Nichts mündet, bilden die ort- und zeitlose Folie für das entsetzliche Geschehen. Isolierte, biomorphe Figuren, expressive Farb- und Formknäuel verdichten sich zu blutenden Fleischklumpen, aggressiven Muskelpaketen, Eingeweiden und Totenschädeln. Breiig, in bläulichen Fleischtönen der Verwesung gehalten, wirken die sich auflösenden Formen durch ihre Unbestimmtheit ebenso bedrohlich wie abstoßend und stehen in kaum erträglichem Kontrast zur sterilen Geometrie der flachen Bildbühne, die auf Bacons Tätigkeit als Designer modischer Interieurs verweist. In der linken Tafel lässt eine nackte Frau eine deformierte männliche Figur auf dem chaotisch zerwühlten Matratzenlager zurück. Sexualität und Gewalt – man fühlt sich an die Vergewaltigungsopfer von Otto Dix erinnert – gehen eine untrennbare Synthese ein. In der Mitteltafel wird die gekreuzigte Figur kopfüber in ein Plattengerüst gespannt, auf gehängt wie ein Stück Schlachtvieh mit herausquellenden Eingeweiden und den Armen in brutal streckenden Folterklammern. Die mittelalterlichen Vorbilder – Bacon nennt ausdrücklich ein Kruzifix von Cimabue als Orientierungspunkt – werden inhaltlich in ihr Gegenteil verkehrt und mit heidnischen Opferritualen kombiniert. Eine Heilserwartung findet in diesem Höllenraum keinen Platz mehr, das sakrale Rot überhöht nicht, sondern unterstreicht die Ausweglosigkeit. Im rechten Teil assistieren zwei an Kafkas absurd schreckliche Richterinstanzen erinnernde Zeugen, die ihren hämischen Blick auf die Rückwand der Kreuzigung richten. Es sind die kühl taxierenden Beisitzer und Mitläufer in einem existentiellen Drama, das sie weder sehen können noch wollen. Daneben erwürgt ein muskelstrotzender, blonder Mann mit Hakenkreuzbinde sein unter ihm gekrümmtes, körperloses Opfer. Lediglich die französische Kokarde spielt in Verbindung mit dem Hakenkreuz- Motiv konkret auf die historischen Kata strophen an, die die Generation des Künstlers nachhaltig prägten. Es wäre jedoch zu einfach, die Interpretation damit auf Bacons Aufarbeitung einer alles überschattenden historischen Realität zuspitzen zu wollen. Eine solch eindimensionale Sicht widerspricht seinem Grundverständnis, das die Allgegenwart der „Gewalttätigkeit der Wirklichkeit selbst“ konstatiert und künstlerisch stetig neu „erschafft“. Dementsprechend sind Täter und Opfer nicht eindeutig differenziert, vielmehr entstehen beide anhand ähnlicher Bildmittel und sind untereinander wie auch vom Betrachter isoliert. Der von Bacon gewollte Abstand zwischen den Bildteilen sowie die fest mit dem Goldrahmen verschraubte Verglasung schaffen in doppelter Hinsicht Distanz und schließen diesen Albtraum in eine beklemmend luftleere Hülle ein. Der fragmentarische Charakter, der Verzicht auf eine Altarretabeln eigene, fortlaufende Erzählung lassen die „Kreuzigung“ zu einer Metapher von Realität werden. Mitleiden wird so unterbunden, das Werk zum Objekt entfremdeter Wahrnehmung. In aller Schärfe benennt Bacon jenen schmalen Grat, in dem sich Gewalt und Faszination, Brutalität und Sinnlichkeit berühren. Geometrische Farbfeldmalerei und eine orgiastisch expressive Bildsprache lassen ein subtiles, unwiderstehliches Nebeneinander von Anziehung und Abstoßung entstehen. Mit dieser exemplarischen Formulierung nimmt die „Kreuzigung“ im Werk von Francis Bacon eine herausragende Position ein.

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