Mit dem Begriff des Schmerzensmannes (im Mittelalter u. a. "Imago pietatis", "Misericordia Domini", "Erbärmdebild" oder "Fronleichnam") werden Darstellungen bezeichnet, die Christus, losgelöst aus jedem szenischen Zusammenhang, mit allen Merkmalen seines Leidens und Sterbens zeigen. Darstellungen, die nicht "erzählen", sondern "bedeuten" und Aufmerksamkeit wie Andacht erwecken. Der Vergleich mit der "Auferstehung Christi" vom Hofer Altar (an der Wand links) verdeutlicht dies.
Die Tafel ist das Werk des zwischen Salzburg und Passau tätigen Malers Rueland Frueauf (um 1440-1507). Anders als es in der musealen Umgebung erscheinen mag, war sie ursprünglich kein eigenständiges Kunstwerk, sondern bildete die Rückseite eines heute verlorenen Altarschreines. Im Mittelalter war der Bereich hinter Altären ein vielfältig genutzter Raum, u. a. konnte hier die Beichte abgenommen werden. Entsprechend die Gestaltung der Altarrückseiten: Darstellungen des Jüngsten Gerichtes vermittelten eine konkrete Strafdrohung, Bilder des Schmerzensmannes versprachen dagegen Vergebung und Erlösung.
Frueauf hat hier zu einer besonders eindringlichen Darstellung gefunden. Gezeigt wird, was wichtig ist: Wundmale, Dornenkrone, der leidende Blick (dem sich kein Betrachter entziehen kann) - der offene Sarkophag erweckt tröstliche Osterhoffnung. Die Wirkung der monumentalen Christusgestalt mit ihrer verhaltenen Gestik wird durch die großen monochromen Farbflächen noch gesteigert. Es scheint, als sei der heutige Betrachter mit seinem an der Moderne geschulten Blick für diese Wirkung besonders empfänglich.
Das Gemälde stammt aus Piding bei Berchtesgaden, Pfarrkirche St. Mariae Geburt.