"The Prince of Mysterious Dreams" nannte die große Retrospektive in Chicago, London und Amsterdam Odilon Redon. Die Sujets seiner Gemälde, Komposition und Zeichnung seiner Werke wie auch die Verwendung der Farben lassen nicht nur Raum zum Träumen, sondern provozieren - ja, versuchen die Bilder zu bestimmen, die sich vor dem inneren Auge des Betrachters einstellen mögen. Der häufig spannungsvoll inszenierte, freie Raum in seinen Bildern, wie er etwa in Die Kathedrale, Le Vitrail" beispielhaft ist, ist durchaus nicht Leere, sondern zeigt sich bereits bewohnt von Gefühlen und Ahnungen, die widersprüchlich und vor allem eben auch geheimnisvoll sein können. So zeigt "Die Kathedrale" die durchleuchtete und von subtilem Farbenspiel geprägte Fensterrose einer Kirche, deren graubraunes Interieur jedoch zusammen mit der an den linken Bildrand gerückten Pietà eher den Eindruck einer beiläufigen Architekturskizze erweckt. Aber gerade in diesen beiläufigen, hier nachgerade dunkel zu nennenden Schatten der Bildphantasie schmelzen Leid und Erlösung zu einem mystischen Gefühl zusammen, das nicht deskriptiv einem ikonographischen Thema folgt, sondern der individuellen Empfänglichkeit des Betrachters. In diesem Sinn wäre Redon vielleicht in die Nähe von Marc Chagall zu bringen, dessen gefühlvolle Farbmagien par excellence von Träumereien, Gefühlen und verschwiegenen Ahnungen erzählen konnten.