Mit seinen sinnlichen Darstellungen schöner Frauen schuf Tizian zahlreiche Variationen eines in Venedig verbreiteten Bildtypus’ erotischer Malerei. Bei den sogenannten belle donne handelt es sich um Idealbildnisse, die zumeist symbolisch aufgeladen sind. Diese junge Frau verkörpert die allegorische Figur der Eitelkeit (Vanitas), die uns den Spiegel vorhält. Darin sind irdische Reichtümer zu sehen – Münzen, Juwelen, Perlen –, aber auch eine alte Frau mit Rocken und Spindel, den traditionellen Werkzeugen für das Spinnen von Garn: ein mythologischer Verweis auf den Lebensfaden, der jederzeit abreißen kann. Auch die erlöschende Kerze in der Hand der jungen Frau soll an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnern. Die goldenen Münzen und die luxuriöse Brosche sind allerdings vermutlich spätere Ergänzungen, mit denen die Bildaussage bekräftigt werden sollte.