Nachgerückt und einfach geordnet versammeln sich alltägliche Gegenstände zu einer Gruppe, die trotz ihrer strengen Tektonik auf der Fläche zu schweben scheint. Nur die Schatten und die perspektivischen Anrisse setzen räumliche Akzente. Die Standebene für die Dinge hat keine Trägerfunktion. Entsprechend den gelblichen Farbzonen betont der horizontale Streifen das Bildgeviert als geometrisches Feld. Irritierend ist die unterschiedliche Dimension der Gefäße; so steht die Tasse winzig gegen die monumentale Vase. Irritierend ist die Helligkeit, die die festen Körper aufzehrt. Der spröde Farbauftrag macht die Oberflächen porös, lässt die Konturen verschwimmen. Die Gegenstände werden ungreifbar, verwandeln sich in Erscheinungen. Bereits 1920, nach einer kurzen Orientierungsphase bei der Pittura Metafisica 1918719, im Umkreis der Zeitschrift „Valori Plastici“, greift Giorgio Morandi sein Thema, das Stillleben, auf. In unzähligen Variationen – allein zwischen 1940 und 1964 entstehen ungefähr 800 Bilder dieses Motivs – setzt er sich immer wieder mit dem Wechselspiel von Realität und Schein auseinander. Allerdings nicht im Sinne des Impressionismus, obwohl ihn 1911 die Werke Claude Monets tief beeindruckt hatten. Sein Interesse am Licht sucht nicht den Wechsel im Augenblick, sondern die Dauer. In der Auseinandersetzung mit Paul Cécanne benutzt Morandi die Gegenstände als Ordnungsstrukturen, um Bewegung, auch die des Lichts, anzuhalten. Das Stillleben, traditionell als Allegorie der Vergänglichkeit häufig um organische Dinge erweitert, wird von Morandi umgedeutet zum stillen Leben der statischen Dinge in einer Gegenwelt. Vergleichbar Claude Monets beharrlichem anliegen, immer neue Variationen der Seerosen-Bilder zu malen, oder Cézannes obsessiver Annäherung an die Montagne Sainte-Victoire, malt der Italiener in einem immer währenden Zyklus gegen das Vergängliche an.